Gaby Malü hat uns ihren Bericht zur Veröffentlichung gegeben.

Gaby ist seit Beginn der Flutkatastrophe als Helferin im Einsatz. Sie traf irgendwann auf Schdoffel und somit fand sie den Weg zu uns. Danke, dass Du ein Teil unseres Teams geworden bist.

Das Hochwasser war in der Nacht vom 14/15.07.2021
Da wir das unglaubliche Glück hatten, von dem Wasser verschont geblieben zu sein hatte ich das
tiefe Bedürfnis
Ich wollte helfen
Mir war nur noch nicht ganz klar, wann, wie und wo.
Einfach auf eigene Faust in ein betroffenes Gebiet fahren, fiel für mich flach.
Lange mit der Schaufel Schlamm schippen hätte meinen Rücken geschreddert.
Irgendwo helfen, wo ich die Menschen kenne kam für mich aus persönlichen Gründen auch nicht in
Frage. Das hatte ich in der Woche vorher ausgetestet.
Also, was wo tun?
HA! Der Helfer Shuttle in Ahrweiler!
Montag morgen Arbeitshose, Gummistiefel u Wasser eingepackt und nach Grafschaft gefahren.
Zugegebenermaßen mit einem sehr mulmigen Gefühl im Bauch, da ich in der Woche vorher ja schon
in Odendorf u Essig die Zerstörung gesehen hatte u überhaupt nicht wusste, in welchem Ausmaß
mich da was erwartet. Ebenso die Frage „kann ich da überhaupt was tun, wenn ich nicht Schippen
kann?“
Nun gut, es wird sich schon was ergeben.
Auf dem Shuttle Parkplatz in Grafschaft ( der übrigens gut ausgeschildert ist) angekommen und
erstmal langsam umgezogen. Gummistiefel erst an u dann wieder aus u beschlossen, dass meine
Arbeits/Wanderschuhe schon reichen. Wenn es matschig wird, kann ich die Arbeitshose immer noch
mit Panzerband zukleben. Das wichtigste ist ja die dicke Sohle, dass sich nicht direkt ein Nagel
dadurch bohrt.
Menschen liefen zielstrebig auf dem Parkplatz zu einem Haufen Schaufeln, Eimern u Gummistiefeln
der dort lag um sich auszurüsten.
An einem Zelt wurde Obst u Getränke verteilt, in einem anderen saß die Orga u ein drittes war für die
medizinische Versorgung der Helfer (inkl. der Möglichkeit sich da eine Tetanus Auffrischung geben zu
lassen )
Mein grober Plan war nach Ahrweiler zu fahren, da dort ein Bekannter aus Norddeutschland vom
Roten Kreuz aus eingesetzt war u wir uns da treffen wollten. Aber wie komm ich jetzt nach
Ahrweiler??
Da entdeckte ich verschiedene Schilder mit Ortsnamen drauf. Einen Menschen angesprochen und
freundlich erklärt bekommen, dass für die verschiedenen Orte man sich doch hinter das Schild
aufstellen möge oder wenn man keinen festen Ort hat, wo man hin möchte, dann in die Schlange auf
der anderen Straßenseite einreihen. Aus der werden dann die Pendelbusse aufgefüllt.
Als ich dann so in „meiner“ Reihe stand u auf den Bus wartete, hörte ich fasziniert die
verschiedensten Dialekte aus ganz Deutschland und bekam so nach u nach mit, dass viele extra
Urlaub genommen hatten um her zu kommen und zu helfen.
Das war der erste schöne Gänsehautmoment, dem tatsächlich – trotz der Tragik – noch einige folgen
sollten.
Der erste Bus kam, ein Organisator rief durch sein Megafon „30 Leute für eine Eimerkette nach
Dernau in den Bus und 20 Leute um ein Hotel dort auszuräumen!“ so schnell, wie sich der Bus füllte
war erstaunlich
Der zweite Bus ging dann nach Ahrweiler. Ohne bestimmtes Ziel vor Augen stieg ich ein u mein
Knoten im Bauch wurde wieder größer.
100 Personen in dem Bus. Fast alle mit Eimer und Schaufel bewaffnet und ich? Ich hielt meine
Arbeitshandschuhe fest
In Ahrweiler selbst wurden wir dann an einer Tankstelle abgesetzt, mit der Ansage „ab 16:30 werdet
ihr hier wieder abgeholt“
Da stand ich nun mit meinen Handschuhen in den Händen und musste erstmal tief durchatmen um
die ersten Eindrücke sacken zu lassen.
Bundeswehr, THW, u LKWs mit Schutt, Dreck, Baggern, Wassertanks usw beladen, rauschten in
einem Affenzahn an mir vorbei. Wirbelten den „verseuchten“ Staub auf, der sich auf alles legte.
Das erste Mal war ich froh, dass Corona uns die Masken beschert hat.
Am Marktplatz angekommen ( dort sollte man Informationen über benötigte Hilfe bekommen)
erblickte ich verschiedene Hilfsstände.
Das DRK für die nötigste medizinische Versorgung der Anwohner, ein Stand mit „Hilfsgütern“ (
Hygieneartikel /Kleidung usw) und ein Verpflegungsstand an dem ein paar Helfer grade in Kartoffel
schneiden eingewiesen wurden.
Wie ich später erfuhr, war das dieser Stand auch ein Restaurant war, welches dort die Menschen
umsonst durch Spenden beköstigte u für diese Aktion eine Woche zuhause zu gemacht hat.
Daneben sah ich dann endlich den Informationsstand. Auf meine Nachfrage, wo ich den helfen
könne, sagte mit eine freundliche Dame „Was konkretes haben wir leider gerade nicht, aber gehen
sie einfach in Richtung Ahr, dort wird es schlimmer als hier auf der Hauptstraße und dann werden sie
schon was finden“ Sie lächelte, wieß mir noch die Richtung u wand sich dem nächsten zu.
Langsam stieg in mir die Befürchtung auf, dass ich umsonst gekommen war. Aber, da aufgeben nicht
gilt, drehte ich mich rum und bog in die nächste Seitenstraße ein.
Als erstes begrüßte mich eine ehemalige weiße Wand auf der jetzt in großen bunten Lettern stand „
Danke für die Hilfe“
Als ich dann ohne Ziel um die Kurve ging, prasselten die optischen Eindrücke auf mich ein.
Zerstörter Hausrat u Schutt vor den Häusern, die im Erdgeschoss teilweise keine Fenster meht
hatten. Kartonhälften, beschriftet mit „Bitte Minibagger“ oder „Hilfe gesucht“ an die Hauswand
geklebt
Der unsägliche Schlamm, der sich wie eine Tonschicht auf alles legte, womit er in Berührung kam.
Autos, auf freien Plätzen aufeinander gestapelt um sie erstmal aus den Gärten der Häuser raus zu
haben. Menschen, die teilweise mit leeren Blick mit der Schaufel versuchen den Schlamm vor dem
Haus zu entfernen ( dieses Geräusch wird mich jetzt mein Lebenlang triggern)
Geräusche…. Stemmhammer, Schaufeln auf der Straße, schweres Gerät was auf der Straße fährt,
Bagger die Müll u Erde aufladen, Hubschrauber, leise Menschenstimmen, Schlamm der aus Eimern
ausgeschüttet wird, und manchmal auch ein Lachen.
Unfähig jemanden anzusprechen und fassungslos ob der Zerstörung setzte ich einfach nur einen Fuß
vor den anderen.
Als ich an einem improvisierten Autofriedhof anhielt um mir kurz die Maske vom Gesicht zu nehmen,
kroch mir dein unglaublicher Geruch in die Nase: Öl, Wasser, Erde, Verwesung, Schimmel,
Fäkalien…..
Da wurde mir klar, warum der Staub als „verseucht“ bezeichnet wird.
Schnell die Maske wieder auf die Nase und weiter gegangen.
An einem Eckgrundstück saßen 2 junge Menschen im Vorgarten, ich fasste mir ein Herz u fagte sie,
ob noch Hilfe vonnöten sei. In dem Moment kam eine ca 50Jährige Frau um die Ecke, schaute mich
von oben nach unten fragend an und fragte „Kannst Du stemmen?“ Mit inneren Bildern von dem
riesigen Stemmhammer, mit dem ich im Garten die Mauer abgebrochen hatte, vor Augen sagte ich
ganz vorsichtig „ja“ und wurde ich am Ärmel gepackt, den anderen- mittlerweile 4 Jungs u 1 Mädel –
mit den Worten „das sind….. Die lieben kommen aus der Nähe von München. Ich kenne sie erst seit 3
Tagen, aber die weisen dich jetzt ein, dort stehen die Getränke, nimm soviel du möchtest …… Ich bin
Judith und wie heißt du eigentlich?“ vorgestellt
Keine 5 min später fand ich mich mit einer kleinen(!) Hilti im Keller wieder um den nassen Putz von
den Wänden zu bekommen ( ich hasse übrigens feuchte Spachtelmasse und in meinem nächsten
Leben werd ich Abbruchunternehmer ) u war froh, dass die Jungs mit den großen arbeiteten.
Mittagspause. Ab zum Verpflegungsstand am Platz. Da hielt ein Transporter neben uns an der Straße.
Eine asiatisch aussehende Frau stieg aus, fragte uns ob wir grad tragen helfen könnten und drückte
uns Styropor Essensboxen in die Hand, die wir zum Verpflegungsstand bringen sollten.
Eine Spende von einem Chinesischen Restaurant… Mindestens 50 volle Boxen. Fertig gekocht und
direkt zum mitnehmen, da schon vorportioniert.
Unglaublich
Während wir was aßen, erfuhr ich dann, dass die Truppe aus Bayern extra Urlaub genommen hatte
um ins Ahrtal zu kommen. Mit diversen Stemmhämmern und Stromgenerator ausgestattet sind sie
auch auf Zufall losgefahren und dann bei Judith u Jochen ( das betroffene Ehepaar) „gestrandet“.
Das die diversen Paletten mit Wasserflaschen, die man überall gesehen hat, für jeden kostenlos zum
Trinken da sind, dass am frühen Nachmittag Frauen mit Bollerwagen Kaffee verteilen und an
sämtlichen Essständen das Essen und Trinken auch für die Helfer umsonst ist.
Nachdem zurück waren befreiten wir den Keller dann am Nachmittag von dem abgestemmten Kram,
indem wir ihn in Eimern hoch trugen und auf dem Gehweg entsorgten…. aus Ermangelung an
Containern ( wie schnell man doch mit fremden Menschen Hand in Hand arbeiten kann)
Zum Schluss standen wir noch etwas mit Judith zusammen und sie brach mit einem Teil ihrer
Geschichte an dem Flutabend hervor….
Das Ihr Mann von dem Wasser vor dem Gartenzaun mitgerissen wurde und sie erst am nächsten
Mittag erfuhr, dass er noch lebte und es ihm soweit gut ging.
Das sie mit dem Mieter ihrer Ferienwohnung nochmals zum Haus zurückkehren musste, weil seine
Frau noch da war. Und nur deswegen einen Mann retten konnte, der vor die Haustür gespült wurde
und sie ihm grade noch die Hand reichen konnte, bevor er unterging…
Die Angst, die die ganze Nacht über da war, dass die Trümmer, die gegen das Haus bollerten, das
Haus einstürzen lassen. Die Angst und Ungewissheit um Ihren Mann, das Bereuen der Worte, die sie
ihm nicht mehr gesagt hat u nun vermutlich nicht mehr sagen konnte. Das Rauschen des Wassers,
das Geräusch und die Bewegung der Erde, als die Brücke an der Ahr einstürzte…
Sehr nachdenklich und auch emotional mitgenommen machte ich mich dann auf den Rückweg um
den Bus rechtzeitig zu erreichen.
Ich sah Helfer, die morgens noch sauber, froh gemut und voller Tatendrang mit mir im Bus saßen,
nun dreckig, Schlammverschmiert, mit müden u teilweise traurigen Gesichtern in Richtung Bus
schlurften… Ebenso wie ich.
Die Räum u Arbeitsfahrzeuge rauschten an einem vorbei, aber man nahm sie und den Staub
mittlerweile nicht mehr so wahr.
An der „Bushaltestelle“ ( der Seitenstreifen der Tankstelle) versuchte jeder noch einen Schattenplatz
zu ergattern und ließ sich dann einfach auf den Boden fallen, wo man grad stand…. Dreckiger konnte
man eh nicht mehr werden.
Da erschall plötzlich ein lauter Ruf „wer Hunger hat, soll was essen kommen“
Das DRK stand da u gab Gulasch mit Nudeln und Getränke für alle aus…..
Da ja kein Haushalt zu dem Zeitpunkt über Strom u Wasser verfügt u so die Versorgung auch flach
fiel, wurde dieses Angebot freudig von vielen wahr genommen.
Der erste Bus kam und ich gestehe, dass ich mich in dem Augenblick nicht in seine Richtung bewegen
konnte um mich anzustellen. Zu müde und kaputt von der ungewohnten Arbeit und den emotionalen
Eindrücken.
Da uns allerdings auch versichert wurde, dass das nicht der einzige Bus ist, der fährt, war es auch
nicht schlimm.
Und dann kam Anne….. Anne die selbst betroffen ist – so wie alle vom Orga Team.
Anne schnappte sich 2 Männer, ging in den Getränkemarkt gegenüber und raus kamen sie mit 2
Kisten, eiskaltem Bier….
Einfach so
Ausgegeben
Als Dankeschön für unsere Hilfe
Anne war an dem Tag mein persönlicher Engel
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann mir jemals ein Bitburger so gut geschmeckt hat
Als dann der nächste Bus kam und uns einsammelte, wartete oben am Helfer Parkplatz die nächste
Überraschung.
Eine mobile Frittenbude und kalte Getränke für alle und auch wieder gespendet, ebenso wie Kuchen
u Süßigkeiten, Menschen die dir die Wasserstelle zum Händewaschen zeigten u dir danach
Desinfektionsmittel anreichten und dich fragten, ob alles ok ist und man irgendwelche Verletzungen
hat.
Und immer wieder ein „Danke, dass du da bist“, wenn man sich selbst für die ganzen „umsonst
Sachen“ bedankt hat.
Als ich dann so am Auto stand um mich umzuziehen, sah ich, wie neben mir sich 2 Mädel aus
Böblingen notdürftig mit Feuchttüchern sauber machten u sich selbst grad in frische Klamotten
schmeißen wollten.
Das Angebot mir hinterher zu fahren um bei uns Duschen zu können, schlugen sie aus, da sie eh
gleich heim fahren würden.
Allerdings sah ich, wie der Bekannte von Ihnen daneben sehr sehnsuchtsvolle Augen bekam, als er
die Worte „heiße Dusche“ hörte und bot ihm da gleiche an, nachdem ich neben seinem Auto das Zelt
sah.
Die 2 Zauberwörter „heiße Dusche“ hat dann noch ein anderer Mensch gehört u so saß die
Rheinländerin dann auf einmal mit einem aus Reutlingen und einem aus dem Vogtland im Auto. Die 2
kannten sich auch nicht, hatten sich beide ebenfalls Urlaub genommen um helfen zu kommen u
zelteten jetzt auf der Wiese bei den Helfershuttles und leider gab es dort bis zu dem Zeitpunkt nur
eine kalte Aussendusche.
Nachdem die Duschgäste wieder wohlbehalten an ihren Zelten waren und ich auf der Couch lag und
mir diesen Tag noch mal Review passieren ließ, kam einfach nur tiefe Dankbarkeit in mir auf, dass
unser Haus verschont wurde und meine Liebsten heile und gesund sind. Ebenso wie die feste
Überzeugung, am nächsten Tag wieder hin zu fahren.
Dienstag
Warum ich beinahe beim Anblick eines Baggers angefangen hätte zu weinen
Der Wecker klingelte…. ich schlug müde die Augen auf und musste feststellen, dass ich tatsächlich
keine 20 mehr bin.
Mir tat alles weh. Schultern, Rücken, Arme…..
Kurz fragte ich mich, ob ich das heute so wirklich noch mal machen möchte.
Dann dachte ich an die Menschen, die nicht gemütlich in ihrem Bett aufwachen dürfen und brachte
mich in Bewegung.
Auf dem Shuttle Parkplatz angekommen ne Banane von dem Spendenstand geschnappt, mein
Ahrweiler Schild gesucht u mich brav positioniert.
Ja, Geduld muss man mitbringen, auch wenn es einem unter den Nägeln brennt, endlich hin zu
kommen.Der Bus wird schon kommen und er kam dann auch.
Die Wartezeit habe ich mir verkürzt, indem ich mich mit einem Trupp aus dem Saarland unterhalten
habe. Sie waren zum ersten Mal da u flachsten noch bei dem regen Bundeswehr Flugverkehr rum,
dass es ja wie in einem Action Film wäre.
Im Bus saßen sie zufällig neben mir und wurden mit jedem Meter den der Bus fuhr immer stiller. Ich
konnte sie so gut verstehen, wie sie sich fühlten, als sie die Fernsehbilder zum ersten Mal in
Wirklichkeit sahen.
Denn die Bilder im TV geben die Realität nicht im Ansatz wieder.
Wieder an der Aral aussteigen und los laufen. Wieder Staub und Dreck. Wenig Autoverkehr. Dafür
umso mehr LKWs und Großfahrzeuge jeglicher Art.
Den fleißigen Köchen und Hilfsköchen am Platz einen Kaffee aus den Rippen geleiert( „Der ist aber
noch nicht ganz durchgelaufen“ „Egal, Hauptsache Kaffee“) ein verständnisvolles Lachen geerntet u
mit einem heißen Kaffee in der Hand wieder in „meine“ Seitenstraße eingebogen.
Die bunt besprühte Wand mal kaffeeschlürfend in Ruhe angeschaut und das erste Mal an diesem Tag
Pipi in den Augen gehabt.
Dort haben sich Anwohner wie Helfer mit lieben Grüßen verewigt. Oben auf der Mauer hat jemand
eine Box mit Eddings hingestellt, damit jeder was dazu schreiben kann.
Jaaaa…. Ich hab meinen Senf auch dazu gegeben
Langsam, aber heute mit einem Ziel vor Augen setzte ich meinen Weg fort.
Dieses Mal nicht so von den Eindrücken erschlagen und nehme mehr Kleinigkeiten wahr.
Der improvisierter Autofriedhof wird kleiner, der schmutzige Teddy, der auf einem Autodach sitzt
und alles zu bewachen scheint. Das Prinzessin Lillifee Puzzle, welches aufgeweicht und verstreut im
Matsch liegt. Der Gestank, der heute schon nicht ganz so schlimm ist, da die Abfuhr des Mülls voran
geht.
Am Haus angekommen waren schon die Besitzer und eine Frau aus dem Sauerland da, die vor
Monaten dort mal Urlaub gemacht hat u nun ebenfalls helfen wollte. Zusätzlich dazu hat sie noch
eine Kartoffelsuppe für alle mit gebracht ( die übrigens mega lecker war!)
Da der Trupp aus Bayern noch nicht da war, konnten wir erstmal im Keller nichts ausrichten, da sie
die Werkzeuge in ihrem Auto hatten.
Und so war dann doch mal Buddeln angesagt.
40qm auskoffern. 20 – 30 cm tief. Per Hand, da dort Bäume standen, die einen Bagger zu sehr
behindert hätten und Judith behalten wollte.
Also, Schüppe in die Hand, mit Tatendrang in die Erde stechen und……. Nix.
Die Schlammschicht war nicht dick, aber fest wie gebrannter Ton. Aber die belastete Erde musste
raus, es nutzte alles nichts.
Da kam Judith mit einer Spitzhacke um die Ecke… Tadaaaa!!
Spitzhacke geschnappt und damit erstmal die Erde auflockern, damit sie raus geschaufelt werden
kann.
In der Zwischenzeit waren auch die Bayern eingetroffen, die aufgrund der immer wechselnden
Straßensperrungen von ihrem Navi fehl geleitet wurden.
Die Jungs „vergnügten“ sich weiter im Keller mit den großen Hiltis ( von der kleinen war der Akku
leer) und wir 4 Mädels wechselten uns mit der Spitzhacke und dem Schaufeln ab.
Als es anfing echt blöd zu werden, hatte unsere tapfere Gastgeberin 4 neue Helfer organisiert. Keine
20,aus Dinslaken und mehr als willig zu arbeiten.
Hach, war das schön!
Die Erde schippten wir auf den Gehweg hinter das Gartenmäuerchen, da die Mulde, in die die Erde
rein musste leider auf der Straße stand und somit nicht in Schippreichweite…. Der Berg Erde wuchs
u wuchs und damit auch unsere latente Verzweiflung. Wir arbeiteten ja in dem Bewusstsein, dass wir
die ganze Erde nochmal bewegen mussten. Eine Schubkarre hatten wir leider nicht.
Da kam ein kleiner, weißer Bagger angefahren ( im Nachhinein fehlten da nur noch Flügel hinten
drauf)
Der Baggerfahrer schaute uns an, wies mit dem Kopf erst auf den Berg Erde, dann auf uns, dann zur
Mulde.
Wir nickten nur müde
Er winkte, dass wir Platz machen sollten und innerhalb von 5 Minuten war der Gehweg wieder frei
und wir schauten ihm mit Tränen in den Augen ( vor Erleichterung) zu.
Und so plötzlich wie er gekommen ist, war er auch wieder weiter weg.
Hach…. mein Bagger-Engel
Um 16:00 wieder auf zum Bus.
Ich wollte noch an dem Verpflegungsstand vorbei und mir was zu trinken abholen, als mir in
Oberschenkelhöhe ein schwarzer dicker Wasserschlauch den Weg versperrte.
Der Wassertank am Platz wurde aufgefüllt. Mittlerweile war mein Hirn so langsam und ich in einem
Tunnel, das ich echt lange brauchte um zu überlegen ob ich drumherum gehe ( viel zu müde und
kaputt) oder drüber steige ( Ohweia…. Schaff ich das noch auf einem Bein zu stehen) oder einfach
warte. Der Mensch, der die Leute auf der anderen Seite um den Wasserwagen drumherum lotste
bemerkte wohl mein Dilemma, kam auf mich zu meinte „Liebchen, Für dich halte ich sogar den
Schlauch hoch“….. Meine Antwort “ Danke Hase, alleine hätte ich das auch nicht mehr geschafft“
löste einen allgemeinen Erheiterungsausbruch aus und ich hörte in einiger Entfernung noch, wie er
„HAAASSSSIIIIII“ gerufen wurde
Den ersten Bus erwischt und diesmal hatten sie oben am Parkplatz einen Kühlanhänger mit kalten
Getränken stehen ( Ja, auch Bier) und auch nochmal Essen aus der Gulaschkanone.
Mittwoch
Der dritte und vorerst letzte Tag brach für mich an, da ich dann in den Nachtdienst gehen musste.
Ja, mir tat wieder alles weh, aber diesmal nicht mehr so dolle
Das gleiche Prozedere wie die Tage vorher
Ankommen
Bus fahren ( diesmal mit jemandem aus der Nähe von Buxtehude gequatscht)
Kaffee dieses Mal ohne Kommentar und nur mit einem Grinsen in die Hand gedrückt bekommen.
Wand anschauen, lesen.
Sich drüber freuen, dass der Müll immer weniger wird.
Sich über den Regen ein bisschen ärgern, da das Wasser nicht abläuft, alles wieder in Matsch u
Schlamm verwandelt und sich große Pfützen bilden. Aber so staubt es wenigstens nicht und das hat
ja auch sein gutes.
Am Haus angekommen höre ich schon die fleißigen Bayern, die mit dem Keller fertig werden wollen,
bevor sie Mittags wieder abreisen müssen.
Kurz nach mir kamen dann auch die Hausbesitzer an und wirkten doch sehr gedrückt.
Auf Nachfrage sagten sie “ Vor allem sind wir traurig, dass ihr heut alle vorerst zum letzten Mal da
seid und zum anderen fährt mit den Bayern der Stromgenerator wieder zurück und wir stehen
wieder ohne Strom da“
Ohne Strom bedeutet in dem Falle auch, dass kein Akku mehr geladen werden kann und sich so die
Arbeit massiv verzögert und auch noch kein Bautrockner laufen kann
Ganz schön sch***
Aber Trübsal blasen nutzt nichts… Da hilf nur Arbeit.
Judith schwang sich wieder an den Papierkrampf u ihr Mann Jochen auf die verzweifelte Suche nach
2 Paketen, die ihnen geschickt wurden. Da aber die eigentliche Post auch Opfer des Wassers wurde,
musste er diverse andere Postfilialen abklappern
Ich für meinen Teil konnte mich noch einmal mit der kleinen Hilti am Treppenaufgang beschäftigen.
Als der späte Vormittag und somit langsam die Verabschiedungszeit der Bayern kam standen wir in
arg gedrückter Stimmung im Vorgarten.
Plötzlich hielt ein schwarzer PickUp neben uns. Ein Mann stieg aus und fragte, ob wir Strom
bräuchten.
Judith meinte „Jetzt noch nicht, aber in 3 Stunden, wenn die Bayern weg sind, dann ja“
2 weitere Männer stiegen aus und fingen an folgendes auszuladen
Ein Generator, eine kleine Wasserpumpe, Gartenschlauch mit verschiedenen Aufsätzen,
Campingkocher ( die tollen, flachen), einen 2 Platten Gasherd für eine 11 kg Gasflasche, eine Tüte mit
nem Topf, Kelle, Pfannenwender, Einmalgeschirr u Besteck, Hochdruckreiniger
Unsere Augen wurden mit jedem Stück welches sie aufbauten/installierten immer größer und
feuchter.
Einer fing an zu erklären wie der Generator funktioniert, der andere entschuldigt sich, dass sie keine
großen Gasflaschen dabei haben und der dritte zeigte wie die Pumpe am besten mit dem 1000l Fass
Wasser funktioniert
Irgendwann fragte Judith „Wo ist denn die Telefonnummer, wo ich anrufen kann um die Sachen
zurück zu geben??“
Die unglaubliche Antwort der Männer war “ Zurück geben?? Die Sachen sind geschenkt! Wenn ihr sie
nicht mehr braucht gebt sie einfach weiter“
Wir waren sprachlos und jedem von uns liefen die Tränen ( Ja, ich muss schon wieder heulen,
während ich diese Zeilen schreibe)
Nein, keiner von uns kannte diese Männer. Sie kamen aus einem kleinen Dorf im Hunsrück, haben in
dem Dorf die unglaubliche Summe von 3000€ gesammelt, sind einkaufen gefahren und wollten den
Einkauf direkt an Betroffene verteilen.
……..
Als dann die Zeit für die Mittagspause gekommen war , stand eine Frau am Gartentor und meinte,
dass sie 3 Häuser weiter mit Essen stehen würden und wir uns doch bitte was holen kommen sollen.
Es gab super leckere Gulaschsuppe, Curry Puten Geschnetzeltes und noch was anderes.
Als Sättigungsbeilage ein Brötchen
Dies war ein Metzger (+ Catering ) aus Düren, der gesammelt hat um mit dem – von ihm gekochten
Essen – auch direkt in den Straßen an Anwohner und Helfer verteilen wollte.
Mittwoch Abend bekam ich von des Metzgers Frau noch die Nachricht, dass sie wieder soviel
gesammelt haben, dass sie Freitag wieder kommen können u ich doch bitte den anderen bescheid
sagen soll
Und zwischendurch redeten wir immer wieder viel über das Erlebte in der Nacht. Zuhören wenn sie
ihre Geschichte erzählen wollten, in den Arm nehmen und versuchen Trost und Kraft spenden. Das
ist mindestens genauso viel wert und wichtig, wie die Hilfe beim Schippen usw.
Den Betroffenen Zeit geben, nicht 3 Entscheidungen auf einmal erwarten und auch wenn eine
Entscheidung mal getroffen ist und diese wieder umgeschmissen wird, auch das zu akzeptieren, da
die, die es direkt erlebt haben zu Teil schwer traumatisiert sind.
Es war zu dem Zeitpunkt schon den 12-14. Tag nach der Flut.
Die Menschen sind einfach völlig am Ende. Seelisch wie Körperlich.
Als Helfer ist man auch dafür da, um den Anwohnern den Rücken frei zu halten, ihnen eine
Atempause zu verschaffen.
Auf der anderen Seite hat mir die Zeit dort den Glauben an die Menschheit zurück gegeben.
Soviel Hilfsbereitschaft, ungefragt, Dankbarkeit und Herzlichkeit von und für völlig fremde Menschen.
So schlimm wie die ganze Situation auch ist, bin ich trotzdem froh und dankbar es miterlebt haben zu
dürfen.
Diesen Zusammenhalt von Menschen, die sich nicht kennen und man auch im Zweifelsfall nie wieder
sieht.
Das gemeinsame Arbeiten an einem Ziel. Damit meine ich nicht nur die Körperliche Arbeit.
Sei es die, die in den Spendenlagern alles sortieren, die Frauen, die Kaffee verteilen, die Menschen,
die mit 2 Einkaufswagen mitten auf der Straße stehen und den LKW Fahrern Getränke und Essen
anreichen, die Metzgerei die von sich aus Essen kocht u verteilt und von einer anderen Metzgerei
Lunchpakete verteilt die mit belegtem Brötchen, Naschi, einem Schnitzel und Senf und Obst bestückt
sind, verteilen, die, die in den Baggern sitzen, die den ganzen Mist unermüdlich hin u her fahren, die
organisierten Ehrenamtlichen und Beruflichen……
Jeder ist freundlich zu jedem, keiner erwartet etwas, verlangt eine Gegenleistung, jeder gibt
irgendwas, jeder macht einfach das, was er kann um die Situation zu ändern, zu erleichtern
Und das aus ganz Deutschland!!
Um dies zu verdeutlichen habe ich auch jeweils die Herkunftsorte der verschiedenen Menschen
erwähnt, die ich getroffen habe.
Ich hoffe, dass die Hilfsbereitschaft ( gleichgültig in welcher Form auch immer) noch eine ganze Zeit
anhält, denn die gesamte Region wird lange Hilfe brauchen.
Sei es die Ahr, in der Eifel, hier um Euskirchen und Bad Münstereifel herum oder an der Erft.
Gaby Malü
01.08.2021